Die aktuelle Ausgabe

Liebe Leserinnen und Leser,
Krise, Krieg und Klimawandel – wie 2022 endete, begann 2023. Die Welt befindet sich anscheinend im permanenten Ausnahmezustand, wie unter anderem der Sozialwissenschaftler Stephan Lessenich jüngst feststellte. Der Westen lässt weiter die Ukraine gegen Russland bluten – angeblich, weil es dort um die westliche Freiheit geht. Das gehört zu den Lügen über die wahren Interessen, die uns aufgetischt werden.
Das und die Krisen zuvor versetzen die Gesellschaft hierzulande in einen Zustand „am Rande des Nervenzusammenbruchs“, wie Lessenich in seinem neuen Buch diagnostiziert. Die aktuelle, elfte Ausgabe unseres Magazins, die Sie in den Händen halten, beschreibt diesen Zustand, sucht nach den Gründen dafür, aber ebenso nach Auswegen.
Die Frage nach den Ursachen gilt auch für geschichtliche Ereignisse wie das der Ernennung von Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler vor nun fast genau 90 Jahren. Das ist nicht nur wichtig, um zu verstehen, was dem folgte, bis zum zerstörerischen Zweiten Weltkrieg und darüber hinaus. Die Antworten helfen auch zu verstehen, warum es bis heute nachwirkt und sich anscheinend manches wiederholt. Deshalb ist es wichtig, sich nicht von den oberflächlichen Erscheinungen ablenken zu lassen von den Interessen und dem Geschehen im Hintergrund. Das Wissen um diese ist notwendig für die Suche nach Auswegen und Alternativen.
Das gilt auch für die Suche nach dem Weg zum Frieden statt in die Eskalation mit immer mehr Waffen im Krieg in der Ukraine. „Wenn er nicht gestoppt wird, werden ihn alle verlieren“, sagte kürzlich der französische Historiker Emmanuel Todd in einem Interview. Doch wer ihn stoppen will, muss auch etwas bedenken, was ein anderer Franzose, der Sozialist und Kriegsgegner Jean Jaurès, vor dem Ersten Weltkrieg sagte: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“ Kurz bevor 1914 das millionenfache Schlachten begann wurde Jaurès ermordet.
Wer aber nicht über den Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Krieg schweigen, lässt sich ein bekanntes Zitat des Soziologen Max Horkheimer abwandeln. Er sagte das 1939 mit Blick auf den Faschismus. In dem Zusammenhang bleibt es bis heute gültig. Es gilt genauso in Bezug auf die Corona-Krise, die anscheinend abklingt. Das soll wohl still geschehen, wenn es nach denen geht, die für die politischen Maßnahmen, von Lockdown bis Impfzwang, und deren dramatischen Folgen verantwortlich sind. Doch die Aufarbeitung dessen, was die Gesellschaft ab Mitte März 2020 in einen Schockzustand versetzte, darf nicht denen überlassen werden, „die am lautesten riefen“. Das forderten kürzlich die „Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.“ (ÄFI).
Das und mehr zeigt: Der Zustand der Gesellschaft ist nicht gut und muss verändert werden. Mit den den Ursachen und Auswegen beschäftigen sich die Beiträge unserer kompetenten Autorinnen und Autoren. Die Antworten sind nicht immer so neu, müssen aber immer wieder gesagt werden.
Neu ist auf jeden Fall mit dieser ersten Ausgabe im Jahr 2023 die innere Gestaltung unseres Magazins. Der Gestalter Robert Schumann von der Berliner Agentur „Buchgut“ hat die Inhalte in neue Formen gebracht, für mehr Lesefreude und optischen Genuss. Ich bedanke mich an dieser Stelle auch im Namen von Herausgeber Uwe Strachau dafür.
Ich wünsche Ihnen auch mit dieser elften Ausgabe der „ViER.“ Wissensgewinn und Lesespaß! Und uns allen, dass noch mehr Menschen erfahren, dass es dieses Magazin gibt.
Ihr Tilo Gräser
Redaktionsleiter
Inhalt:
04 Oskar Lafontaine: Kein Nuklearkrieg in Europa!
06 Matthias Krauß: Europa: Gescheitert und an den Rand gedrängt
09 Tilo Gräser: Auf der falschen Seite
12 Uli Gellermann: Hitler war’s – Das deutsche Nazi-Erbe
13 Rudolph Bauer: Deutsche Denkwürdigkeiten
16 Diether Dehm: »Nationaler Sozialist ergriff die Macht« und produzierte »Läusegift«
18 Hannes Hofbauer: Im Kriegsmodus
21 Klaus-Jürgen Bruder: Wie war es möglich?
26 Markus Klöckner: Gesellschaft ohne Immunsystem
30 Christoph Pfluger: Wir haben keine Ahnung – aber eine einmalige Chance
32 Ivan Rodionov: Über Verträge, Vertrauen und einen Schmetterlingseffekt
36 Wolfgang Bittner: Die geänderte Strafbestimmung für Volksverhetzung ist verfassungswidrig
38 Susan Bonath: Das unübersehbare Elend (online zuerst bei "Rubikon")
41 Tilo Gräser: Armut – sozialer Sprengstoff und Herrschaftsmittel
44 Thomas Trares: Außer Kontrolle: Wie Parteien ihre Macht sichern
46 Rüdiger Rauls: Gesichter der Inflation
49 Kay Gärtner: Fast 200 Jahre alt und attraktiv geblieben
52 Gunnar Jeschke: Grenzen des Wachstums erneuerbarer Energien (online zuerst hier)
56 Michael Nehls: Das unnötige Sterben – Höchste Zeit für einen Systemwechsel
58 Tilo Gräser: Unfassbar, aber wahr
61 Michael Meyen: Medienrealitäten
62 Eugen Zentner: »Von Covid-19 bis Putin-22« – Politische Lyrik zum Zeitgeschehen
64 Eugen Zentner: Alles außer Mainstream – Teil 1
Der Titel wurde von Heike Matthées gestaltet.
Die Ausgabe 1/23 kommt ab 7. Februar 2023 in den gut sortierten Zeitschriftenhandel und zu den Abonnenten.